Gegen das Vergessen

Datum: 23. Januar 2020

Uhrzeit: 19:00 bis 21:00

Ort: Sitzungssaal des Kreistags, Kreishaus, Bad Segeberg

Mehr als 30 Gäste diskutierten in Abwesenheit eingeladener Amts- und Mandatsträger aus Kommunen und Kreis unter der Moderation der Journalistin Monika Metzner-Zinsmeister mit Dr. Ingaburg Klatt, Dr. Gerhard Braas und Axel Winkler im Sitzungssaal des Kreistages darüber, ob und was wir aus der jüngsten deutschen Geschichte mit Shoa und den weiteren Verbrechen der faschistischen NS-Diktatur lernen können.

Der Filmische Bericht über den Todesmarsch von „Auschwitz nach Ahrensbök“ (Autor: 60plus-Vorsitzender Fred Freitag), die Peinigung  des kurz vor Kriegsende in Belgien verhafteten  Widerstandskämpfers Albert van Hoey, dessen Verschleppung und Gedanken  über Deutschland und die Deutschen, brachte die persönliche Tragik der Opferfamilien und auch der Überlebenden in den Kreistagssitzungssaal.  Einige Ahrensböker Straßeninterviews (aus dem Jahre 2009) zeigten den ganzen Bogen der Öffentlichen Meinung zur Erinnerungsarbeit. Die Antworten dürften heute nicht positiver ausfallen.

Beeindruckend waren die Schilderungen der Podiumsgäste aus ihrer aktuellen Arbeit. Lehrer Axel Winkler recherchierte mit seinen Schülern zu Gewaltakten nazistischer Schläger während der dreiziger Jahre im Ostkreis Segeberg und plant auch zum heute wieder aufkeimenden Rechtsradikalismus neue Schülerprojekte.

Aus der KZ-Gedenkstätte Kaltenkirchen Springhirsch berichtete Dr. Gerhard Braas über eine im regionalen Umfeld weitgehend akzeptierte und unterstützte Aufklärungsarbeit, was vor allem der Überzeugungsarbeit des zwischenzeitlich verstorbenen Lokalhistorikers Gerhard Hoch zu verdanken sei.

Vergleichbar auch die Arbeit in der Gedenkstätte Ahrensbök, die von der Konzentration auf Schülerprojekte und deren Ergebnis-Präsentationen vor Ort berichtete. Am Sonntag, den 26. Januar 2020 berichtet wieder einmal eine Schulklasse von ihrer Reise nach Auschwitz und den Eindrücken und Erlebnissen.

In der Diskussion blitzten mögliche Gründe für das regelmäßige Auftreten von Sündenbock-Zuschreibungen gegenüber Minderheiten und das Erstarken rechtsradikaler Parteien auf. Dabei wurde auf Wirtschaftskrisen (wie anno 1966) mit ihren „Arbeitslosen und sonst Abgehängten“ verwiesen wie auch auf Zukunftsängste, die durchaus auch Menschen aus der „Mitte“ der Bevölkerung träfen, die beschäftigt und mit wirtschaftlichem Auskommen so auch empfänglich sind.

Überhaupt wurde das Schüren irrationaler und übertriebener Ängste, oft auch in sogenannten sozialen Netzwerken des Internets und abseits jeder Vernunft, als mitverantwortlich für das Erstarken rechter Kreise benannt. Im Blick aber auch die Politik . Mit zunehmender Deregulierung und dem Erhöhen des Drucks auf Beschäftigte und öffentliche Daseinsvorsorge schwinde seit vielen Jahren das eh lädierte Vertrauen ins politische System sowie praktizierte Solidarität und gelebte Gemeinschaftsideale. All  dies fördere einen Nährboden für die Rattenfänger von Rechts.

Die Revitalisierung unserer parlamentarischen Demokratie und die Motivation junger Menschen dafür war der große Grundkonsens des Abends.

Als Anregung, in Kreisen der Familie, der Nachbarschaft oder auch unter Kollegen die Diskussion fortzuführen, mag ein Offener Brief dienen, den Ester Bejerano am 26.1.2020 an Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) geschrieben hat und den Sie hier nachlesen können.

Die gut einstündige Diskussion konnte nur ein erster Einstieg in die notwendige politische Debatte der Erinnerungsjahres 2020, 75 Jahre danach, sein. Wir meinen, ein gelungener Beitrag zur Vorbereitung auf den „Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus“ am 27. Januar.

Der 27. Januar ist in Deutschland seit 1996 ein bundesweiter, gesetzlich verankerter Gedenktag. Er ist als Jahrestag bezogen auf den 27. Januar 1945, den Tag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau und der beiden anderen Konzentrationslager Auschwitz durch die Rote Armee im letzten Jahr des Zweiten Weltkriegs.[1] Zum Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust wurde der 27. Januar von den Vereinten Nationen im Jahr 2005 erklärt.

Fotos: Klaus J. Harm und Dieter Riemenschneider